Quantcast
Channel: Planet Moskwa » Megapolis
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Wo die Liebe hinfällt

$
0
0

Um Moskau lieben zu lernen, braucht es einen Sommer. Flirrend die Luft vor der Kulisse von Stalins Schwestern, glitzernd das Wasser der Moskwa in der Sonne, saftig grün die Wiesen in den Parks, und nachts geht es im Auto vorbei an den hell erleuchteten Hochhäusern von Moskwa-City, dem Business-Viertel, das mühselig wächst. Wer eine Megapolis sucht, der hat sie hier gefunden, in Moskau.

Und wer sie im Winter nach fast sechs Monaten für Dunkelheit, Glätte und Staus verflucht, entdeckt im Sommer, wie sie aufblüht und lebt. Sie lebt, wenn an der Brücke vom Park Kultury zum Gorki-Park die schlicht hergerichtete Holzbühne von Musik umhüllt wird und Moskauer Paare an lauen Abenden stundenlang tanzen. Sie lebt, wenn das „Krisis Schanra“, ein In-Klub im Nordosten der Stadt, morgens die Menschen ausspuckt, nach einer Nacht mit Live-Musik, Indipop vom DJ und Gin Tonic. Und sie lebt, wenn die Hitze zwischen den Häusern steht, während am Himmel ein Feuerwerk in rote, blaue und gelbe Leuchtstreifen aufgeht. Und eine Stadt beleuchtet, in der jeder Abend ohne Regen zu schade ist, um einfach nach Hause zu gehen – obwohl es trotzdem oft genug sein muss.

Raus aus der Stadt geht es für einen Ausflug, für eine Woche, manchmal zwei – bei den Studenten, den Zugezogenen und einigen Daheimgebliebenen. Denn viele Russen fahren für drei Monate raus ins Grüne, auf die Datscha, Pendeln zum Arbeiten täglich in die Stadt – und überlassen jenen das Feld. Das wird nun zurückerobert. Der Schulanfang naht, die Temperaturen kühlen ab, die Tage werden kürzer. Zurück geht es in die Wohnungen der oft fünfstöckigen Chruschtschowkas aus den 50er Jahren oder der neuen Hochhäuser am Rande der Stadt.

Moskau lässt sich langsam wieder einhüllen, von den Vorboten von Herbst und Winter. Da fangen die Gedanken an zu gleiten, ins Gestern, zu den Busfahrten entlang des ins Abendrot getauchten Kutusowskij prospekt, auf dem es entlang der Springbrunnen am Eingang zum Siegespark geht. Und sie gleiten zur Rückkehr von einem Tagesausflug aus dem Moskauer Umland, wenn die Elektritschka, der russische Vorortzug, unaufhaltsam wieder zur Hauptstadt strebte. Das Rattern über die Schienen noch im Ohr, geht der Moskauer Sommer nun vorbei. Und hinterlässt eine Sehnsucht.

Mandy Ganske-Zapf


Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Latest Images

Trending Articles